Braunschweigische Wissenschaftliche Gesellschaft
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Carl Friedrich Gauß in der Walhalla

Festvortrag zum Festakt aus Anlass der Aufstellung der Büste von Carl Friedrich Gauß in der Walhalla

 

am Mittwoch, dem 12. September 2007

Prof. Dr. rer. nat.  Dr. h.  c.  Joachim Klein
Präsident der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft
 

 

Braunschweig, im September 2007

 
Sehr verehrte Gäste,

sehr geehrter Herr Staatsminister Sinner,

 

wenn ich Ihnen für Ihre freundliche Begrüßung und – stellvertretend für die Bayerische Staatsregierung – für die Einladung zu diesem Festakt danke, so tue ich dies mit besonderer Freude. Ich bin sicher, dass ich diese Festtagsfreude mit vielen Menschen und Institutionen teile, wenn es nun um die Aufnahme der Büste von Carl Friedrich Gauß in die Walhalla geht. Carl Friedrich Gauß in einem zeitlich begrenzten Rahmen gerecht zu würdigen, ist ein schwieriges Unterfangen. Ich möchte mich dieser Aufgabe stellen, indem ich mich Carl Friedrich Gauß aus fünf Blickrichtungen nähere:

1. Gauß in die Walhalla?
2. Gauß als Wissenschaftler
3. Gauß in seiner Zeit
4. Gauß als Mensch
5. Gauß in der Walhalla

1. Gauß in die Walhalla?


Mit diesem Aufruf wandten sich die beiden herausragenden Münchener Mathematiker Friedrich Bauer und Roland Bulirsch an die "Mathematiker aller Nationen, der Bayerischen Staatsregierung beizustehen, die Leistungen von Carl Friedrich Gauß zu würdigen und ihm einen Platz in der Walhalla zu verschaffen." Dies war im Vorfeld des Jahres 2005, dem Jahr der 150. Wiederkehr des Todestages von Gauß – das zu Recht als Gauß-Jahr gefeiert wurde.

Die Bayerische Staatsregierung hat im August 2006 diesen Ruf erhört und nach einer wechselvollen Vorgeschichte das Jahr 2007 zum Aufnahmejahr der Büste von Carl Friedrich Gauß bestimmt.

In dieser Entscheidungsphase hat nun ein Initiativkreis Braunschweiger wissenschaftlicher Institutionen

- die Technische Universität Carolo Wilhelmina

   Braunschweig
- die Braunschweigische Wissenschaftliche

   Gesellschaft
- das Braunschweigische Landesmuseum

angeboten – falls nötig – für die Finanzierung der Büste „ihres größten Braunschweigers“ einzustehen. Auch dieses Angebot wurde von der Bayerischen Staatsregierung erhört, und so freuen sich die Mitglieder des Initiativkreises, dass sie mit Förderung der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und des Lions-Clubs Braunschweig nun als Stifter an der Enthüllung der im Braunschweiger Land entstandenen Marmorbüste teilnehmen können.

So haben wir auf dem Resonanzboden der langjährigen akademischen Partnerschaft von Bayerischer Akademie der Wissenschaften und der Braunschweigischen Wissen-schaftlichen Gesellschaft mit der Arbeitsteilung – von einer Seite die Idee des Vorschlages an die Regierung, von anderer Seite die Tat der Stiftung der Büste – ein schönes Ziel erreicht.

Da steht Carl Friedrich Gauß dann in der Walhalla und schaut sich um, und da stehen die Anderen, z. T. seit 1842, und blicken gespannt auf den „Neuen“: Der Wissenschaftler insgesamt sind es gar nicht so viele, nur 8 von 127 Büsten zählen wir in diesem Bereich – offenbar hat die Wissenschaft nicht die stärkste Lobby im Vorschlagswesen? Albert Einstein, 1990 hier eingezogen, ist der jüngste Vertreter; und zumindest die engeren Fachkollegen Johannes Keppler, Gottfried Wilhelm Leibniz und Johannes Müller (auch Regiomontanus genannt) werden sich über die Verstärkung der Vertretung von Mathematik und Astronomie freuen. Trotz 50 Jahren gemeinsamer Lebenszeit auf Erden haben Justus von Liebig und C. F. Gauß nie wirklich zueinander gefunden und so werden sie auch hier Distanz bewahren. Ansehnlich in dieser Ehrenhalle vertreten sind dagegen Fürsten und Feldherren, die ja auch oft eine Einheit bilden. So wird sich Heinrich der Löwe, Herzog zu Sachsen und Bayern in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts, dessen Lebensmittelpunkt die Stadt Braunschweig war, über die Ankunft eines Bürgers seiner Stadt freuen. Von Innen und Außen betrachtet – gehören Heinrich und Gauß schließlich zu den größten Söhnen dieser Stadt. Und eine noch größere Freude dürfte ein zweiter Braunschweiger Welfen-Herzog, nämlich Ferdinand – hier als preußischer Feldherr gewürdigt – empfinden. Kein anderer als sein Neffe Karl Wilhelm Ferdinand erkannte die hohe Begabung des einfachen Verhältnissen entstammenden Schülers, Studenten und Gelehrten Carl Friedrich Gauß, sodass er ihm über 30 Jahre eine finanzielle Lebenssicherung gab. So konnte sich das Genie des Mathematikers in Braunschweig entfalten. Ferdinand wird jetzt voll Stolz hören, welches Fundament einer einzigartigen wissenschaftlichen Laufbahn in seinem Herzogtum gelegt worden ist. Auch auf Seiten von Gauß dürfte die Wiedersehensfreude mit einem Braunschweiger Herzog alle anderen Gefühle überwiegen und von Dankbarkeit geprägt sein.

2. Gauß als Wissenschaftler.

 

Nun ist also dieser Gauß in der Walhalla, und nicht Euler, Hilbert oder Felix Klein. Die Begründung liefern am besten Zitate aus dem Munde berufener Kollegen und Historiker.

Zu dem 1801 veröffentlichten ersten Hauptwerk aus der Feder von Carl Friedrich Gauß „Disquisitiones Arithmeticae“ schreibt Joseph-Louis Lagrange 1804 an Gauß: „Ihre Disquisitiones haben Sie sogleich eingereiht unter die ersten Mathematiker, und ich ersehe, daß der letzte Abschnitt die allerschönste analytische Entdeckung enthält, die seit langer Zeit gemacht worden ist.“

Im Standardwerk „Men of Mathematics“ von Eric Bell heißt es, „dass Gauß - als „Fürst der Mathematiker“ ebenbürtig mit Newton und Archimedes – im besten Sinne des Wortes ein Revolutionär war, dass sich die Strenge, die er der Analysis auferlegt, nach und nach

auf die ganze Mathematik, in seinem Denken wie auch dem seiner Zeitgenossen übertrug: Nach Gauß wurde die Mathematik etwas gänzlich Anderes als bei Newton, Euler und Lagrange“.

Und Laplace sagte 1809: „Gauß ist der größte Mathematiker der Welt.“ Damals war Gauß 32 Jahre alt. Bis heute macht ihm kaum jemand diesen Rang streitig.

Gauß leistete bahnbrechende Arbeiten auf den Gebieten der Mathematik, der Astronomie, der Geodäsie und der Physik. Dabei zeichnen sich in seinem Leben vier zeitlich aufeinanderfolgende Epochen ab, in denen er sich bestimmten Themengebieten besonders zuwandte:

Die 1. Epoche 1760 – 1820 führt in die Mathematik und Astronomie. Der hochbegabte Schüler, Collegiat und Student glänzte früh mit Hochleistungen wie

1794 mit der Entwicklung der Methode der kleinsten Quadrate und dem Zahlentheoretischen Beweis der Konstruierbarkeit des 17Ecks mit Zirkel und Lineal. 1796 erfolgte die Dissertation mit dem ersten vollständigen Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra (n-Lösungen für Gleichungen n-Grades). 1801 erscheint mit den „Disquisitiones Arithmeticae“ („Unternehmsuchungen über höhere Arithmetik“) sein bahnbrechendes Werk zur Begründung der Zahlentheorie als eigenständigem systematischen Fach. Dieses enthält u.a. die Darstellung der komplexen Zahlen in der später so genannten Gaußschen Zahlenebene. Ebenfalls 1801 legt er mit Arbeiten über das „Parallelen-Postulat“ den Grundstein der Nicht Euklidischen Geometrie – „Disquisitiones generalis circa superficias curvas” („Untersuchungen über die allgemeine Theorie der krummen Flächen).

Gauß betreibt so die Verselbständigung der Mathematik als Welt der Zahlen mit seinen eigenen Worten:

„Die Mathematik ist also im allgemeinsten Sinn die Wissenschaft der Verhältnisse, indem man von allem Inhalt der Verhältnisse abstrahiert“.

Auf die Bedeutung und fachliche Anerkennung dieser Arbeiten haben die obigen Zitate schon verwiesen. Aber wirklich berühmt geworden ist er durch ein anderes Ereignis, und zwar über Nacht im wahrsten Sinne des Wortes.

1801 war mit „Ceres“ ein neu entdeckter Planet aus den Fernrohren der Astronomen verschwunden – immerhin war es nach dem Uranus erst der zweite, seit der Antike entdeckte Planet. Aufgrund der wenigen vorliegenden Daten gelang es Gauß unter Anwendung seiner neuen Methoden, den Astronomen den Weg zur Wiederfindung in der Neujahrsnacht 1801/1802 zu zeigen. Nur so wurde es möglich, dass in diesen Tage eine Nasa-Raumsonde zum Ceres startet, interessanterweise mit Rechnern der Technischen Universität Braunschweig an Bord, welche Bilder und Daten an die Erde vermitteln.

Im Jahr 1809 erschien das entsprechende Fundamentalwerk der Astronomie „Theoria motus corporum coelestinum in sectionibus cunius solem ambientum“ (Theorie der Bewegung der Himmelskörper, welche in Kegelschnitten die Sonne umlaufen), in dem unter anderem die Methode der kleinsten Quadrate, Teilgebiete der Fehlerrechnung und die sogenannte Gaußsche Normalverteilung (auch Gaußsche Glockenkurve genannt), enthalten waren.

Die 2. Epoche 1820 – 1830 wurde beherrscht durch das Thema Geodäsie. Die neuen, aus der Astronomie gewonnenen Methoden wurden die Basis für eine neue Qualität der Landvermessung durch Triangulation. In dieser Zeit, in der sich der reine Mathematiker Fragen der angewandten Mathematik, d. h. problemlösungsorientiert zuwendet, erwacht auch der technische Erfindergeist in Gauß. Der Heliotrop ist das Ergebnis, welcher nun das Senden von Vermessungssignalen über weite Distanzen erlaubt. Die Praxis der Landvermessung wird durch die „Theorie konformer Abbildungen“ ergänzt.

Die 3. Epoche 1830 – 1840 kann mit der Zuwendung zur Physik am besten beschrieben werden: Im Mittelpunkt steht das Thema „Magnetismus“,sowohl mit Blick auf die Faraday’sche Entdeckung der elektromagnetischen Induktion als auch auf den Problemkreis Erdmagnetismus.

Das erst genannte Arbeitsfeld führt, gemeinsam mit dem Physiker, Kollegen und Freund Wilhelm Weber, zur Entwicklung der ersten Telegrafen. Zum zweit genannten Thema legt er 1838/39 erstmals eine „Allgemeine Theorie des Erdmagnetismus“ vor, welche auch die Berechnung der Lage der magnetischen Pole korrekt ermöglicht.

In die vierte Epoche (1840 – 1855) fiel Gauß’ intensivere Beschäftigung mit der Nicht-Euklidischen Geometrie sowie auch Versicherungsmathematik, was sich bei der Sanierung der Witwen- und Waisenkasse der Göttinger Universität unmittelbar als nutzbar erwies.

1849, Gauß ist 72 Jahre, erscheint eine letzte Veröffentlichung, die auf Fragen der Theorie algebraischer Gleichungen zurückführt.

3. Gauß in seiner Zeit.

 

Das Leben eines jeden Menschen, so auch das von C. F. Gauß, wird durch seine Zeit, sein politisches, kulturelles, geistesgeschichtliches Umfeld geprägt.

In den ersten dreißig Jahren seines Lebens in Braunschweig war dieses Umfeld die aufgeklärte Monarchie, welche den Wert der kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen erkannte und Institutionen und Personen entsprechend förderte. Braunschweig erlebte im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts eine intensive und teilweise heftig geführte Debatte einer umfassenden Bildungsreform, die vor allem mit den Namen Campe und Abt Jerusalem verbunden war, begleitet von den modernen Staatsideen des Ministers von Hardenberg sowie des regierenden Herzogs Carl Wilhelm Ferdinand. Bessere Schulausbildung als Grundlage der Staatsverbesserung, die Entwicklung des

Collegium Carolinum ab 1745 und die Förderung von Wirtschaft und Verwaltung waren die eine Seite des Programms, gezielte Förderung von exzellenten Begabungen die andere.

Das beste Beispiel für die individuelle Eliteförderung war Carl Friedrich Gauß. Er wurde vom Herzog nicht nur während der Schulausbildung am Katharineum und beim Besuch des Collegium Carolinum maßgeblich gefördert, sondern auch beim Studium, das er außerhalb seines Herzogtums in Göttingen absolvieren durfte. Nach dem Abschluss

promovierte er jedoch bei dem Mathematiker Pfaff an der Landesuniversität in Helmstedt und betrieb seine weitergehenden und von Anfang an bahnbrechenden Forschungen in Braunschweig als Privatgelehrter. Hierzu wurde er von Herzog Carl Wilhelm Ferdinand mit einem ausreichenden Jahresgehalt unterstützt, ohne administrative Gegenleistungen oder Lehrverpflichtungen wahrnehmen zu müssen.

Der Herzog war sich bewusst, was tatsächliche Eliteförderung im Interesse des Landes bedeutet, nämlich weitestgehende Arbeitsmöglichkeiten für Einzelne und nicht politisch definierte Zukunftsprogramme der Politik ohne inhaltliche Umsetzungsmöglichkeiten. Selbst die Gefahr der Abwerbung des Gelehrten nach St. Petersburg nutzte der Herzog zur Verbesserung der Unterstützung und Ausstattung von Gauß, indem er das Jahresgehalt erhöhte und den Auftrag zum Bau einer eigenen Forschungssternwarte in Braunschweig erteilte. In den Braunschweiger Jahren bis 1806 hat Gauß mit herausragenden wissenschaftlichen Arbeiten das Fundament seines Ruhmes legen können. Zu seinem Goldenen Doktorjubiläum 1849 erhielt er somit zu Recht die Ehrenbürgerwürde seiner Geburts– und Heimatstadt. Die politischen Auswirkungen der napoleonischen Hegemonialpolitik und der Tod des Herzogs 1806 bei Jena und Auerstedt machten es dann notwendig, dass Carl Friedrich Gauß sich beruflich neu orientieren musste und das Angebot der Berufung nach Göttingen annahm, wo er bis zu seinem Tode 1855 lebte und arbeitete.

Die Göttinger Jahre von Gauß ab 1807 in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts sind durch die Unruhe der Napoleonischen Kriege, die Rückkehr zum Absolutismus, z. B. im Königreich Hannover, und die revolutionäre Bewegung der 40er Jahre geprägt. Er beteiligte sich am politischen Diskurs, vermied bei aller Sympathie für die Gedanken die direkte eigene öffentlich Positionierung, war aber vom Protest der Göttinger Sieben

(1837) durch die Beteiligung seines Freundes Wilhelm Weber und seines Schwiegersohnes dann doch indirekt persönlich sehr betroffen. Und mit der Freiheit des Denkens – der Gedanken – war auch die Freiheit von Lehre und Forschung mittelbar bedroht.

So führte der „Verlust“ seines kongenialen physikalischen Kooperationspartners auch dazu, dass Gauß sein wissenschaftliches Engagement zu physikalisch fundierten Fragestellungen weitgehend einstellte. Stärker als zuvor zog er sich im Umfeld seiner Sternwarte in die Welt der Mathematik und Astronomie zurück.

4. Gauß als Mensch.

 

Hinter der Fassade einer offensichtlich so glänzenden und von Erfolgen geprägten wissenschaftlichen Laufbahn verbirgt sich ein menschliches Schicksal oft ungeahnter Tiefe. Familie, Förderer, Freunde, Kollegen, Schüler waren seine Wegbegleiter. Es waren aber jeweils nur wenige Menschen, zu denen er wirklich Vertrauen fasste und engen Kontakt pflegte – dies aber mit hoher Verlässlichkeit und Treue.

Der private Gauß war vor allem ein Mensch der Familie. In der ersten kurzen Ehe – mit Johanna Osthoft – erfuhr er höchstes Glück, aber auch tiefstes Leid. Seine Briefe zur Hochzeit und zum frühen Tod seiner Frau gehören zu den anrührendsten Schriften eines menschlich äußerst empfindsamen Gauß. Seinen zwei Ehen entstammten drei Söhne und zwei Töchter, und es waren besonders die Töchter Minna und Theresa, welche den Vater treu und verzichtsvoll bis zum Lebensende umsorgten und Licht in sein mit zunehmenden Jahren düsteres Lebensbild brachten. Zu diesen schmerzvollen Lebenserfahrungen trug auch das Zerwürfnis im Verhältnis zu seinen beiden jüngeren Söhnen bei, die aus unterschiedlichen Zwängen in die USA auswanderten. Nach Irrungen und Wirrungen starben sie aber dort als anerkannte und wohlhabende Bürger – die zuvor mit dem Vater, so wie er mit ihnen, einen versöhnlichen Frieden geschlossen hatten.

Gauß war jedoch insofern auch ein Glückskind, als seine herausragende Begabung sehr früh erkannt und von weitsichtigen und einflussreichen Personen gefördert wurde.

Johann Christian Markus Bartels, als Hilfslehrer in der Volksschule tätig, war der erste in der Kette der Förderer, die über den Hofrat und Professor am Collegium Carolinum, Eberhard August Wilhelm Zimmermann, direkt zum Herzog Karl Wilhelm Ferdinand führte. Vielleicht hat Gauß seinerseits dazu beitragen können, dass Bartels ab 1830 selbst als Professor für Mathematik an der Universität in Kasan wirken konnte. Eine enge und lebenslange Freundschaft verband ihn seit der Studienzeit in Göttingen mit dem ungarischen Mathematiker Wolfgang Farkas Bolyai. – ein umfangreicher lebenslanger Briefwechsel ist ein schönes Dokument, das fernab der Wissenschaft Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt von Gauß vermittelt.

Vergleichbare Freundschaft hat er in späteren Jahren nie mehr geschlossen. Allenfalls das sehr enge, zunächst wissenschaftlich fundierte Verhältnis zum Physiker und Kollegen Wilhelm Weber wird zunehmend durch Elemente der menschlichen Zuneigung und persönlichen Freundschaft bestimmt gewesen sein. Sein Verhältnis zu den Kollegen seines Faches im In- und Ausland war offen, aber durchaus nicht frei von Spannungen bis hin zur Eifersucht. Dies beruhte z. T. darauf, dass er nach dem Motto „pauca sed matura“ „wenig, aber reif“ publizierte, und dies, da er von der Originalität und Eigenständigkeit seiner Arbeit ausging, ohne Zitate oder Hinweise auf vorangehende Beiträge Anderer. Dies konnte natürlich auch zum kollegialen Streit über die Priorität von Entdeckungen führen. In einem Tagebuch, in welchem er seit 1796 viele seiner nicht publizierten Entdeckungen aufzeichnete, das aber erst 1898 der Wissenschaft zugänglich wurde, mag die Lösung manchen Prioritätenstreites zu finden sein. Gauß war nie ein begeisterter Lehrender, sodass sich auch nur wenige Schüler auf ihn einließen und – wie Richard Dedekind – in seiner Nachfolge Großes leisteten.

So abgeschieden er lebte, so stand er doch mit vielen Großen seiner Zeit in reger Korrespondenz, wofür Alexander von Humboldt als Beispiel dienen möge.

Gauß war vielleicht weltfern, aber nicht weltfremd. Er hatte ein sehr positives und erfolgreiches Verhältnis zum Geld und Gelderwerb, studierte täglich die Börse und die Kurse der Staatsanleihen und hinterließ bei seinem Tode ein beachtliches Erbe an Thalern und Wertpapieren.

5.Gauß in der Walhalla !
Kehren wir nach diesem Einblick in die Privatsphäre in die Sphäre der Wissenschaft zurück, so erstrahlt Carl Friedrich Gauß, der „Fürst der Mathematiker“, in seinem unbestrittenen Glanz. Und man hätte wohl keinen Besseren finden könne, um die bislang kleine Schar der wissenschaftlichen Heroen in dieser Ruhmeshalle zu verstärken.

Gauß ist zeitlos, er zwar ein Kind seiner Zeit, wissenschaftlich seiner Zeit aber oft weit voraus und in seiner Nachwirkung auf Wissenschaft und Technik wahrhaft stets aktuell.

Gauß ist in seiner Präsenz grenzenlos. Dies gilt sowohl im übertragenen Sinne, wenn wir an die weltweite Anwendung seiner Erkenntnisse denken. Dies gilt aber auch im direkten geographischen Sinn, denn es gibt nicht nur um einen Gaußberg in Braunschweig, sondern auch eine Basaltkuppe dieses Namens auf Kaiser Wilhelm II.–Land in der östlichen Antarktis und einen Gauß-Krater auf dem Mond.

Gauß war aber nie heimatlos, so wird er besonders in den Städten Braunschweig und Göttingen als Bürger, Gelehrter und Ehrenbürger lokal und regional verehrt. Plätze, Schulen und Denkmäler tragen seinen Namen.

Nun hat er in der „Ehrenhalle der deutschen Kultur und Geschichte“, in der Walhalla, endlich auch seine nationale Heimat gefunden.

Dies zu würdigen, war mein Auftrag. Ich hoffe, ihn erfüllt zu haben und danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben.

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